Stress in der Schwangerschaft Ein Risikofaktor – Teil 4

 

Schwangerschaftsmassage als Methode zur Prävention und Abbau von Stresszuständen

Um es nicht soweit kommen zu lassen, dass man sich ausgebrannt fühlt, sollte man bereits zu einem frühen Zeitpunkt versuchen etwas für die Stressregulation zu tun. Auch dem Umfeld, allen voran dem Partner, aber auch der Familie und den Arbeitskollegen kommt hier eine wichtige Rolle zu; denn oftmals bewegen wir uns Tag für Tag in unserem Hamsterrad ohne dass wir selbst merken, dass wir bereits „auf dem Zahnfleisch kauen“. Es gibt aber auch sehr gute Literatur zum Thema Streßprävention. Ein Buch, welches ich hier empfehlen kann ist „Stress Solutions for pregnant Moms“ von Susan Andrews. Aber auch die Bücher des Zeitmanagement Experten Prof. Siewert sind hier mit Sicherheit zu empfehlen.

Wenn ein Bewusstsein über das Stresslevel existiert, ist der nächste Schritt, etwas dagegen zu tun, also aktiv „den Schalter umlegen“. Und hier gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten. Angefangen von leichten, sportlichen Aktivitäten, wie einem Spaziergang im Stadtwald. Wichtig ist, sich überhaupt Bewegung zu verschaffen. Auch Schwimmen ist eine hervorragende Form der sportlichen Betätigung, da der Körper das Eigengewicht nicht tragen muß. Darüber hinaus berichten viele meiner Kundinnen von sehr guten Erfahrungen mit Yoga. Hierzu gibt es gerade in Frankfurt ein sehr reichhaltiges Angebot.

Und „last but not least“, kommt natürlich auch eine Schwangerschaftsmassage für den Stressabbau in Frage. Diese halte ich für eine der effektivsten Methoden überhaupt um Stress abzubauen. Ich erlebe dies bei jeder der Massagen, die ich mit einer Klientin durchführe. Wenn man sieht wie der Körper zur Ruhe kommt, der Atem tief wird und sich die Gesichtszüge der Schwangeren entspannen, merkt man welches enorme Potential Schwangerschaftsmassage im Hinblick auf Stressabbau hat. Dabei kommt eine Massage mit hollistischem Ansatz in Frage. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass neben klassischen Grifftechniken, wie man sie aus der klassischen, schwedischen Massage kennt, vor allem lange Streichungen über große Körperpartien zum Einsatz kommen. Diese Art von Massage wird auch als „Slow Stroke Massage“ bezeichnet. Mit ihr ist der erfahrene Therapeut in der Lage den Körper in seiner Ganzheitlichkeit anzusprechen. Der mittlerweile emeritierte Prof. Dr. Müller-Oerlinghausen hat 2004 an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Berliner Charité die sogenannte SeSetra-Studie1) durchgeführt. Bei dieser randomisierten Studie wurden die akuten Effekte einer Slow Stroke Massage an stationären depressiven Patienten untersucht. In einer Folge der Sendereihe „Quarks“ wurden in einem der Beiträge die Forschungsergebnisse von Prof. Müller-Oerlinghausen vorgestellt2)

Das Ergebnis bescheinigt einmal mehr die antidepressive und anxiolytische (angstlösende) Wirkung einer solchen Massage; denn auch in anhaltenden Stresssituationen, die als belastend empfunden werden, tauchen Ängste immer wieder als eines der Begleitsymptome auf.

Mit Hilfe der oben genannten Massagetechnik, so, wie sie bei mir unter anderem in der Schwangerschaftsmassage zur Anwendung kommt, ist es also möglich den Körper auf unterschiedlichen Ebenen anzusprechen. Der genaue Mechanismus hierfür, also die Art und Weise wie die Massage auf den Organismus wirkt, und welche physiologischen Vorgänge sich dabei im Körper abspielen sind bis heute nicht gänzlich geklärt. Dazu ist das Geschehen im Organismus einfach zu komplex. Eine ganz entscheidende Rolle spielt dabei aber das Autonome Nervensystem3), bestehend aus dem Sympathikus und seinem „Gegenspieler“ dem Parasympathikus. Fest steht, dass die Massage eine dämpfende Wirkung auf den Sympathikus also den Teil des Nervensystems hat, welcher für Erregungszustände verantwortlich ist. Und eine aktivierende Wirkung auf den Parasympathikus4), also den Teil der für unsere Entspannung verantwortlich ist.

Dabei wird der Cortisollevel5)6) nachweislich gesenkt, was in einer Vielzahl von Studien mittlerweile belegt ist. Des Weiteren hat die Massage einen positiven Effekt auf die Ausschüttung von Serontonin5) und Dopamin5). Und es wird diskutiert, inwieweit Endorphine7) bei dem Geschehen mit eine Rolle spielen. Der Schlaf und somit die Regeneration werden verbessert. Die Atemfrequenz die in Stresszuständen erhöht ist, wird abgesenkt. Und die Massage hat einen beruhigenden Einfluss auf Puls und Herzfrequenz.

Massage ist seit langer Zeit ein bewährtes Mittel zur Reduktion von Stress, Angst- und Schmerzzuständen, so eine Aussage der bekannten „Mayo Klinik“8) in Rochester im US Bundesstaat Minnesota. Tatsächlich sind in den vergangenen Jahrzehnten unzählige Studien durchgeführt worden, die dies belegen. Alle Abhandlungen aufzuführen würde sicherlich den Rahmen dieses Artikels sprengen. Sie finden im Anhang wie immer eine Auswahl an repräsentativen Veröffentlichungen zu diesem Thema.

Es sollte aber nicht vergessen werden, dass sich Stress oftmals auch in Form von körperlichen Beschwerden manifestiert, wie Rücken- und Nackenschmerzen, die meist von Verspannungen der entsprechenden Partien herrühren. Auch hier steht uns mit der Massage ein hervorragende Therapieform zur Verfügung um für Linderung der Symptome zu sorgen.

Massage geht aber noch einen Schritt weiter. Sie stillt eines unserer grundlegendsten Bedürfnisse, dem Bedürfnis nach Berührung; denn, was kaum jemand weiß, Berührung ist essentiell für unser Überleben. Und sie hat ein kommunikatives Element; denn die Berührung gehört zur Familie der nonverbalen Kommunikation, also letztlich die Übermittlung von Information. Und auch die Massage hat eine kommunikative Komponente. Stressgeplagte Menschen haben oft ein Gefühl des gehetzt seins, sie kommen einfach nicht mehr zur Ruhe. Und genau an diesem Punkt setzt die Erfahrung des Therapeuten ein. Ich habe an anderer Stelle bereits erwähnt, dass die Massage für mich viel mehr ist als die Abfolge von Massagegriffen, viel mehr als das Beherrschen von Techniken, die natürlich als Grundlage vorhanden sein müssen. Aber als viel wichtiger erachte ich die, man könnte sagen, Choreographie der Massage. Die Variation des Druckes den man auf das Gewebe ausübt, der Wechsel von schneller zu langsamer Abfolge der Massagegriffe. Und manchmal sind es gerade die Pausen, die ich zwischen Griffen bewußt mache, oder ich lasse die flache Hand für ein paar Sekunden auf einer Stelle des Körpers ruhen. Das Herausnehmen des Tempos, um dem Körper bewusst das Signal zu geben „Komm runter, komm zur Ruhe“ – Somit stellt Massage ein fabelhaftes Mittel zur bewußten Entschleunigung dar!

Abschließend kann man also folgendes zusammenfassen,

Massage…

1) hat auf die verschiedensten physiologischen Prozesse einen positiven Einfluß

2) wirkt beruhigend auf das Nervensystem ein

3) stillt das Bedürfnis nach Berührung

4) hat eine kommunikative Komponente

 

Quellen:

1)
Wirkungen einer „Slow Stroke Massage“ als komplementäre Therapie bei stationären depressiven Patienten
Müller-Oerlinghausen, Deutsche Medizinische Wochenschrift 2004; 129 (24): 1363-1368

2)
„Bitte anfassen“, Sendung vom 5.04.2016 verfügbar in der Mediathek des WDR. Der Beitrag über die Ergebnisse
von B. Müller-Oerlinghausen ist auch separat abrufbar unter http://www1.wdr.de/fernsehen/quarks/beruehrungmassage-100.html, Dauer 3:08 Min

3)
The effects of heat and massage application on autonomic nervous system.
Lee YH1, Park BN, Kim SH.; Yonsei Med J. 2011 Nov;52(6):982-9. doi: 10.3349/ymj.2011.52.6.982.

4)
Moderate pressure massage elicits a parasympathetic nervous system response
Int J Neurosci, 2009; 119(5):630-8. doic:10.1080/00207450802329605. Diego MA1, Field T. Touch Research Institute, Departement of Pediatrics, University of Miami School of Medicine

5)
Cortisol decreases and serotonin and dopamine increase following massage therapy
Int Journal Neurosci, Field, T., Hernandez-Reif, M., Diego, M., Schanberg, S., & Kuhn, C. (2005). 115(10), 1397–1413 doi:10.1080/00207450590956459

6)
Massage in patients undergoing intensiv chemotherapy reduces serum cortisol and prolaction
Stringer J, Swindell R, Dennis M., Psychooncology. 2008 Oct;17(10):1024-31. doi: 10.1002/pon.1331.

7)
Endorphine
http://www.pacificcollege.edu/news/blog/2014/11/08/neurohormonal-effects-massage-therapy

8)
Mayo clinc
amerikanisches Unternehmen im Gesundheitswesen, welches im Sinne einer non profit Organisation geführt wird und sich im Bereich medizinischer Forschung und Ausbildung engagiert. Bekannt geworden ist die Mayo clinic für Ihre Arbeit im Bereich Diagnostik.