Stress in der Schwangerschaft Ein Risikofaktor – Teil 3

 

Das Mutterschutzgesetz (MuSchG)

Die Konsequenz aus den Erkenntnissen der pränatalen Stressforschung, kann also nur sein, dass alles getan werden muss, um ein Stress freies Umfeld für Frauen in der Schwangerschaft zu gewährleisten. Zwar wird dem, mit dem Mutterschutz ab der 34. SSW in gewisser Weise Rechnung getragen, aber nach den Studienergebnissen der Wissenschaftler der letzten 15 Jahre sollten die Frauen eigentlich viel früher aus dem Arbeitsprozess herausgenommen werden, sofern dies notwendig ist und natürlich von den Schwangeren gewünscht wird.

So plädiert auch der, bereits in Teil 2 dieser Artikelserie, erwähnte Neurologe Prof. Dr. Schwab vom Universitätsklinikum Jena, in einem Interview1) mit der Online Ausgabe der „Thüringischen Landeszeitung“ dafür die Frauen wesentlich früher aus dem Arbeitsprozess herauszunehmen.

Optimal wäre, meiner Ansicht nach, eine stärkere Flexibilisierung dahin gehend, dass die Schwangere den Zeitpunkt selber bestimmen kann, wann sie es für angemessen hält aus dem Beschäftigungsverhältnis auszuscheiden oder ob sie eventuell ein Teilzeitmodell in Anspruch nehmen möchte. Zumindest sollte man darüber nachdenken, ob man den Eintritt in den Mutterschutz nicht flexibler gestaltet. Es gibt hierfür aber nicht nur Zustimmung. In den vielen Gesprächen, die ich bereits über dieses Thema geführt habe, wurde unter anderem auch die Befürchtung geäußert, dass hier dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet würde. Nun – überall dort, wo soziale Sicherungssysteme greifen, wird es auch immer einen gewissen Missbrauch geben, das wird sich auch nicht vermeiden lassen. Der Nutzen, der sich durch einen besseren Mutterschutz aber ergeben würde, wäre unter Umständen viel höher, als der vermeintliche Nachteil, der durch einen Missbrauch entstünde; denn die Anzahl, der Menschen, die unter psychischen Erkrankungen leidet, steigt stetig, und wird zu einem immer größeren Problem für die Krankenkassen und die Volkswirtschaft insgesamt. Nach Schätzungen der WHO2) kostet alleine Depression die Weltwirtschaft jährlich 1 Billion US$ !

Legt man nun die Erkenntnisse der modernen Stressforschung zugrunde ginge ein Teil dieser Erkrankungen auf Kosten der sogenannten „Fetalen Programmierung“. Das heißt, dass es durch besondere Umstände ( z.B. Stress der Mutter) im pränatalen Stadium zu einer Prädisposition für eben solche Erkrankungen (Depression, aber auch ADHS, Schlaganfall oder Demenz) im späteren Leben kommt. Das heißt aber auch, dass bei einem besseren Mutterschutz unter Umständen ein Teil dieser im späteren Leben auftretenden Erkrankungen vermeidbar wäre. Es entstünde also auch ein erheblicher finanzieller Benefit für die Volkswirtschaft. Vom Zugewinn der Betroffenen an Lebensqualität ganz zu schweigen.

Die ursprüngliche Fassung des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) stammt noch aus den 50er Jahren (Inkrafttreten 6. Februar 1952). Seitdem hat sich einiges geändert. Die Rolle der Frau in der Gesellschaft hat sich grundlegend geändert. Eine Neufassung des Gesetzes wurde vor kurzem vom Bundesrat gebilligt, wobei die wesentlichen Neuregelungen erst zum 1. Januar 2018 in Kraft treten werden.

 

Das MuSchG gab in seiner bisherigen Fassung bereits einen gewissen Spielraum, um (gestresste, überarbeitete) werdende Mütter besser zu schützen; denn § 3 MuSchG Abs. 1 sagt eindeutig:

Werdende Mütter dürfen nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter und Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet sind.“

 

Leider hat diese Formulierung einen gravierenden Haken. Es liegt nämlich somit im Ermessen des Arztes, was er/sie als Gefährdung für die Gesundheit des Kindes ansieht. Es ist davon auszugehen, dass die in Teil 1 und 2 dieser Artikelserie erwähnten Forschungsergebnisse bzgl. Stress noch nicht alle Arztpraxen dieser Republik erreicht haben und dass es diesbezüglich noch ein gewisses Wissensdefizit gibt. Dies wurde mir erst kürzlich in einem Gespräch mit einer Betroffenen bestätigt. Nach ihrer eigenen Erfahrung gibt es bezüglich der Sensibilisierung für das Thema Stress bei den Ärzten ein starkes Gefälle; während ein Teil der Mediziner dafür „ein offenes Ohr“ hat, nehmen andere wiederum dieses Problem überhaupt nicht ernst, oder ignorieren es schlichtweg.

Die meisten Ärzte handeln sicherlich verantwortungsvoll und haben das Wohlergehen ihrer Patientinnen im Fokus. Allerdings wurden mir in meiner Praxis auch schon von Kundinnen berichtet, dass sie überarbeitet und ausgebrannt sind, und sie nicht mehr wissen, wo ihnen der Kopf stehe. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an eine Schwangere. Sie war zu mir gekommen, um endlich einmal wieder zur Ruhe zu kommen und zu entspannen. In unserem Gespräch vor der Massage erzählte sie mir von der unerträglichen Situation an ihrem Arbeitsplatz, und dass sie das Gefühl hatte in all der Arbeit und den Projekten, die man ihr überantwortet hatte, zu ertrinken. Sie litt eindeutig unter einem permanenten über die Maßen erhöhten Stresslevel. Zwar hatte sie dies im Vorfeld an ihren Arbeitgeber und die Kollegen kommuniziert. Wenn sie die Hilfe, die man ihr zugesagt hatte, aber versuchte einzufordern, hieß es immer wieder, „also Du sorry, sonst gerne, aber momentan bin ich selber so sehr mit Arbeit zu, das schaffe ich nicht. Aber das nächste Mal gerne.“ Die Kundin sprach darüber mit ihrer Gynäkologin, die sich allerdings schlichtweg weigerte sie krank zu schreiben. Daraufhin nahm sie ihren Resturlaub, um sich eine gewisse Atempause zu verschaffen, und plante sich nach einem anderen Arzt umzusehen

Sicherlich mag diese Geschichte nicht repräsentativ sein, fest steht aber, dass immer wieder Schwangere zu mir kommen, die ein zu viel an Arbeit beklagen und dass immer wieder berufstätige schwangere Frauen Stress bedingt (von verständnisvollen Ärzten) krank geschrieben werden. Und um noch einmal das Stichwort Missbrauch an dieser Stelle aufzugreifen, ich habe dabei nicht den Eindruck als habe ich es mit Frauen zu tun, die versuchen sich in irgendeiner Weise vor der Arbeit zu drücken. Sie machen auf mich eher den Eindruck absoluter Powerfrauen, die selbstbewusst „Ihre Frau stehen!“ Frauen, die Projekte managen und Verantwortung für Budgets und Mitarbeiter tragen, und deren Organismus „so ganz nebenbei“ noch ein komplexes Wesen aus Abermilliarden von Zellen hervorbringt.

Dies zeigt eindeutig, die Notwendigkeit einer Stressprävention, um es nicht soweit kommen zu lassen, dass man ausgebrannt und mit den Nerven am Ende ist. Und dazu gehört nach meinem Dafürhalten, wie oben bereits angemerkt, eine dringende Reformierung des Mutterschutzgesetzes, welches die Entscheidung über den Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis dahin gibt, wo sie eigentlich hingehören, in die Hände der Frau; denn sie trägt letztlich die Verantwortung für ihr ungeborenes Kind.

Nach dem, was im Internet über die Neufassung des Gesetzes bereits veröffentlicht wurde, sieht es nicht danach aus, dass das Beschäftigungsverbot ausgeweitet würde, es bleibt also bei den 6 Wochen vor der Entbindung. Es gibt allerdings Neuregelungen zur Ausgestaltung der Arbeitszeit. Demnach sollen „Regelungen zu Mehr- und Nachtarbeit branchenunabhängig“ gefasst werden, und Frauen sollen ein Mitspracherecht zur Ausgestaltung der Arbeitszeit bekommen. Man darf allerdings skeptisch sein, ob sich dies in der Praxis wirklich so umsetzen lässt. In manchen Branchen ist es fast selbstverständlich das Überstunden dazu gehören. Vor allem amerikanische Großkanzleien, so die Erfahrung aus meiner Praxis, sind prädestiniert dafür nicht gerade zimperlich mit ihren Mitarbeitern umzugehen, wenn es um die Arbeitszeit geht. Ob sich das mit dem Mitspracherecht also entsprechend umsetzen lässt, mag stark bezweifelt werden. Ich sehe in der Neufassung des Gesetzes nicht unbedingt „den großen Wurf“.

Quellen

1)

Jenaer Forscher untersucht Stress im Mutterleib, Julia Stadter, 02/2015
http://www.tlz.de/web/zgt/leben/detail/-/specific/Jenaer-Forscher-untersucht-Stress-im-Mutterleib-2047055688)

2)
Depression kostet jährlich eine Billion Dollar, Veronika Völlinger, 04/2016
http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2016-04/who-weltbank-weltwirtschaft-depression-angst-kosten