Bei der Suche nach einer Antwort auf die Frage, was das Ungeborene von der Massage spürt, bin ich auf das Buch der Soziologin Marianne Krüll gestoßen. Es beleuchtet die ersten 9 Monate unseres Lebens von der Zygote bis zur Geburt und lässt diese Zeit in einem völlig neuen Licht erscheinen. Wir sind nämlich immer noch, wie sie in diesem Buch anmerkt „zu sehr in einem mechanistisch-materialistischen Menschenbild gefangen, in dem das vorgeburtliche Leben als Nicht-Mensch-Sein definiert wird.“
Wahr ist allerdings, und das beschreibt die Autorin sehr eindrucksvoll, dass die vorgeburtliche Phase die wichtigste und prägendste Zeit im Leben eines jeden Menschen überhaupt ist. All das, was wir an Sinneseindrücken in dieser Zeit sammeln und was wir lernen, teilweise lange bevor der Kortex gebildet wird, speichern wir in einer Art Körpererinnerung, und dies hat weitreichende Auswirkungen auf unser ganzes späteres (nachgeburtliches) Leben.
Das Buch ist aber auch ein Plädoyer für eine humanere Geburtskultur, welche Mutter und Kind, und deren (wirkliche) Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt. Weg von der Dominanz einer kalten, von Profitstreben getriebenen Apparatemedizin, hin zu mehr Geborgenheit, Wärme, Nähe und Liebe; denn sie sind die Grundlage für ein Gelingen des Bondings zwischen Mutter und Kind. Dabei setzt sie sich kritisch mit der Entwicklung der modernen Geburts- und Reproduktionsmedizin auseinander.
Dieses Buch hat mir erneut vor Augen geführt, wie komplex das Leben und wie wunderbar und einzigartig wir alle im Grunde sind. Und das lange bevor wir das Licht dieser Welt erblicken. Es hat meine Arbeit als Therapeut für Schwangerschaftsmassage ganz nachhaltig beeinflußt.
Das Buch „Die Geburt ist nicht der Anfange“ von Marianne Krüll ist im Klett-Cotta Verlag erschienen zum Preis von € 25,-
– Vollständig überarbeitete und aktualisierte Neuausgabe, unter Mitarbeit von Flora Frank
– gebunden ohne Schutzumschlag, mit ca. 45 Abbildungen und einem Glossar
– 1. Aufl. 2009, Verlag: Klett, 394 Seiten
– ISBN: 978-3-608-94556-0